Das BVerfG hat sich in seiner Rechtsprechung mehrfach und insbesondere in den letzten Jahrzehnten mit Fragen zu NATO, Auslandseinsätzen der Bundeswehr und Reichweite des Parlamentsvorbehalts befassen müssen.
Die wichtigsten Entscheidungen (zitiert nach Band und Seiten der amtlichen Sammlung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) sind folgende Entscheidungen:
U.v. 29.07.1952 – 2 BvE 2/51 - BVerfGE 1,372 – 396 (Deutsch-Französisches Wirtschaftsabkommen)
Zur Frage, wann ein völkerrechtlicher Vertrag die „politischen Beziehungen“ der BRD gemäß Art. 59 Abs.2 GG regelt und in der Form eines Bundesgesetzes vom Parlament ratifiziert werden muss.
B.v. 16.12.1983 - 2 BvR 1160/83 - BVerfGE 66, 39 - 65 (Eil -Entscheidung zu Pershing II)
Verschiedene Bürger erhoben gegen die bevorstehende Stationierung der Pershing-Raketen Verfassungsbeschwerde und beantragten eine einstweilige Anordnung. Das Gericht kam dem nicht nach; es hielt die Verf.-Beschwerden für unzulässig.
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv066039.htmlDie Entscheidung ist auch wichtig zum Verständnis der folgenden Hauptsacheentscheidung, da diese für den Sachverhalt auf die vorliegende Entscheidung verweist.
U.v.12.07.1984 – 2 BvE 13/83 - BVerfGE 68, 1 – 132, (Pershing II - Hauptsache)
Zur Frage, ob die Bundesregierung dadurch, dass sie der Aufstellung von nuklearen Mittelstreckenraketen des Typs Pershing-2 und Marschflugkörpern in der BRD ohne spezielle gesetzliche Ermächtigung zugestimmt hat, Rechte des Bundestags unmittelbar gefährdet oder verletzt hat.
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv068001.html
B.v.23.06.93 - 2 BvQ 17/93 - BVerfGE 89,93 (Somalia - Einstweilige Anordnung)
Zur Frage, ob sich die Bundeswehr an der UN-Mission UNOSOM II ohne Beschluss des Bundestags beteiligen darf.
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv089038.html
U.v. 12.07.1994 – 2 BvE 3/92 u.a. – BVerfGE 90, 286 – 394 , (Out-of-area-Entscheidung)
Zur Frage, ob die Bundesregierung durch Zustimmung zu Einsätzen der WEU bzw. NATO (in Umsetzung von SR-Beschlüssen) und entsprechende Entsendung von Bundeswehrverbänden ohne Parlamentsbeteiligung Rechte des Bundestags verletzt hat.
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv090286.html
In dieser Entscheidung forderte das BVerfG nähere gesetzliche Regelungen für die parlamentarische Mitwirkung bei Entscheidungen über Einsätze der Bundeswehr. Dem ist der Gesetzgeber mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18.03.2005 nachgekommen (BGBl. Teil I, S. 775 – 776)
U.v.25.03.1999 – 2 BvE 5/99 – BVerfGE 100, 266 - (Kosovo)
Zur Frage, ob die Rechte einer Fraktion oder des Bundestags durch die Beteiligung der Bundeswehr an militärischen Operationen der NATO gegen die Föderative Republik Jugoslawien ( Serbien und Montenegro) verletzt worden sind.
link: http://www.bverfg.de/entscheidungen/2%20BvE%205/99
U.v. 22.11.2001 – 2 BvE 6/99 - BVerfGE 104, 151 – 214 (neues NATO-Konzept 1999)
Zur Frage, ob die Bundesregierung ihre Zustimmung zu dem neuen NATO-Konzept 1999 (Einsätze auch über Fälle der kollektiven Verteidigung nach Art.5 NATO-Vertrag hinaus – out of area) ohne erneute Zustimmung des Bundestags nach Art. 59 II GG geben durfte.
B.v. 25.03.2003 – 2 BvQ 18/03 – BVerfGE 108, 34 (einstweilige Anordnung zu AWACS)
Einstweilige Anordnung zur Frage, ob der gegenwärtige Einsatz deutscher Soldaten in AWACS-Flugzeugen der NATO in der Türkei der Zustimmung des Deutschen Bundestages bedarf. (vgl. die Hauptsache-Entscheidung BVerfGE 121, 135 unten)
link: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/2%20BvQ%2018/03
U.v. 15.02.2006 – 1 BvR 357/05 – BVerfGE 115, 118 -166 (Luftsicherheitsgesetz)
Zur Frage, ob
1.) der Bund die Streitkräfte bei Naturkatastrophen u.ä. Fällen nach Art. 35 GG mit spezifisch militärischen Mitteln einsetzen darf;
2.) der Bund die Streitkräfte nach § 14 Abs.3 Luftsicherheitsgesetz ermächtigen darf, ein Luftfahrzeug mit tatunbeteiligten Menschen an Bord abzuschießen, wenn dieses gekapert wurde und gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll (Art.1 und Art.2 GG).
link: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/1%20BvR%20357/05
Die fragliche Bestimmung im Luftsicherheitsgesetz wurde als verfassungswidrig aufgehoben.
B.v. 12.03.2007 – 2 BvE 1/07 – BVerfGE 117,359 (Tornadoeinsatz Afghanistan – einstw. Anordnung)
Zur Frage, ob die Mitwirkung der Bundesregierung an der Fortentwicklung des NATO-Vertrags ohne neues Vertragsgesetz nach Art. 59 Abs.2 GG ultra vires verfolgte und damit die Beteiligung der Streitkräfte am bewaffneten Einsatz der NATO in Afghanistan Rechte des Bundestages verletzte.
Vgl. die nachstehende Hauptsacheentscheidung.
link: http://www.bverfg.de/entscheidungen/2%20BvE%201/07
U.v. 03.07.2007 – 2 BvE 2/07 – BVerfGE 118, 244 – 276 (Afghanistaneinsatz)
Zur Frage ob der Bund die Bundeswehr am Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan beteiligen durfte ohne parlamentarische Mitwirkung an dieser Fortentwicklung des NATO-Vertrags über dessen gesetzlichen Entwicklungsrahmen hinaus.
U.v. 07.05.2008 – 2 BvE 1/03 - BVerfGE 121, 135-175 ( AWACS-Hauptsache)
Zur Frage, ob der Einsatz deutscher Soldaten in AWACS-Flugzeugen der NATO zur Luftraumüberwachung über dem Hoheitsgebiet der Türkei im Frühjahr 2003 der Zustimmung des Deutschen Bundestages bedurfte.
link: http://www.bverfg.de/entscheidungen/2%20BvE%201/03
U.v.30.06.2009 - 2 BvE 2/08 - (Lissabon-Entscheidung)
Bei der Übertragung von Hoheitsrechten setzt die Verfassung des Grundgesetzes Grenzen, u.a. bei der Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr (vgl. RNr. 254 und 255 der Entscheidung).
vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kritisch auch den gesonderten Beitrag von Martin Kutscha.