Bundeswehr nach Zentralafrika? Die Friedensbewegung sagt Nein. Was humanitär daherkommt, ist Kriegsunterstützung
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Zum dritten Mal innerhalb einer Woche ist der Bundestag aufgerufen, einem Bundeswehreinsatz zuzustimmen. Erst war es die Somalia-Mission, dann die Fregatte für die sog. Chemiewaffenmission im Mittelmeer, und heute das Mandat für die Zentralafrikanische Republik (ZAR). Das Parlament agiert, als wäre es nie von der Bevölkerung gewählt worden. Die lehnt nämlich weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr mit Mehrheiten zwischen 70 und 75 Prozent ab! - Die Friedensbewegung sagt zum dritten Mal NEIN - aber auch sie wird kaum gehört.
Worum geht es in der ZAR? Das Leben dort ist nach wie vor geprägt von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und von den Ansprüchen des Nachbarstaates Tschad. Der betrachtet nämlich die ZAR als eine Art eigenes Bundesland. der letzte Herrscher in der ZAR war vom tschadischen Diktator Déby eingesetzt worden, fiel aber bei ihm in Ungnade und wurde vor einem Jahr weggeputscht. Die französischen Truppen sahen zunächst teilnahmslos zu, wie die Putschisten-Milizen marodierten und mordeten, bis sie sich zum Eingreifen entschlossen und die Milizen teilweise entwaffnen konnten. Die Gegenkräfte, die "christliche" Anti-Balaka holte zum Gegenschlag aus und veranstaltete Pogrome an der muslimischen Minderheit im Land. Die Folge: Fast jeder vierte Einwohner ist auf der Flucht, die Landwirtschaft liegt am Boden, es fehlt an Saatgut. Der Handel - zuvor in der Hand von Muslimen - ist fast völlig lahmgelegt, Justiz, Polizei und Verwaltung funktionieren nicht mehr. Über die Hälfte der 4,5 Mio. Einwohner ist auf Nahrungsmittel-Hilfe angewiesen. Das UN-Hilfswerk UNHCR benötigt zur Abwendung einer Hungersnot in einem ersten Schritt 500 Mio. EURO.
In dieser Situation beschließt die EU, den 2.000 französischen Soldaten in der ZAR 1.000 weitere Soldaten aus anderen EU-Staaten zur Seite zu stellen. Der Auftrag lautet: "Entwaffnung und Demobilisierung". In Wirklichkeit geht es um die Unterstützung des Kriegseinsatzes Frankreichs, das mit Infanteriekräften, Transport- und Kampfhubschraubern sowie mit Rafale-Kampfbombern Jagd auf Milizen und Banden im Land macht.
Der deutsche Anteil an der EU-Mission klingt harmlos, soweit es sich um die Bereitstellung eines "luftgestützten Verwundetentransports" handelt. Des Weiteren soll die Bundeswehr das "Militärische Nachrichtenwesen" unterstützen, d.h. "Lagebilder" für die Hauptquartiere der Militärmission erstellen. Das ist nichts anderes als ein unmittelbarer aktiver Beitrag zur Kriegführung. Insgesamt sollen 80 Soldaten eingesetzt werden.
Der Einsatz kostet 12,1 Mio. EUR. Das ist mehr, als Deutschland für die humanitäre Nothilfe für das geschundene Land auszugeben bereit ist (10 Mio.).
Wir sagen: Der Krieg Frankreichs (und des Tschad) in der ZAR dient nicht den Menschen, sondern ihren eigenen ökonomischen Interessen. Dem Tschad geht es um Öl, Frankreich um Uran.
Anstatt einen weiteren Krieg zu alimentieren, der nicht zur Stabilisierung der Lage, sondern eher zur weiteren Eskalation der Gewalt führen wird, sollte die Bundesregierung mehr Mittel für die Nothilfe bereitstellen, zivile Transportmaschinen und Hubschrauber nutzen, um Moskitonetze, Nahrungsmittel, Medikamente und Wasser in die Flüchtlingslager zu bringen. Auch das ist schwierig und braucht Zeit. Aber zur zivilen Hilfe gibt es keine Alternative. Unwahrscheinlich, dass der Bundestag heute und auf absehbare Zeit der zivilen Konfliktbearbeitung und Hilfe den Vorzug vor dem Militärischen gibt. Aber es ist die Aufgabe der Friedensbewegung, ihn immer und immer wieder auf diese Option hinzuweisen.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Berlin
Peter Strutynski, Kassel