Einführung
Beim Versuch, den geplanten Einsatz der Bundeswehr in Syrien völkerrechtlich zu rechtfertigen, werden in der aktuellen Diskussion im wesentlichen drei Wege gegangen:
1) Berufung auf die Resolution 2249 des UN-Sicherheitsrates vom 20.11.2015:
In ihr wird u.a. festgestellt, dass ISIL / bzw. Daesh, die Al-Nusra-Front und alle anderen mit Al-Quaida verbundenen Gruppen eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellen. Weiter
fordert der UN-SR "alle Mitgliedstaaten, die dazu in der Lage sind, auf, unter Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere der Charta der VN ....in dem unter der Kontrolle des ISIL stehenden Gebiet in Syrien und Irak alle notwendigen Schritte zu ergreifen....., um terroristische Handlungen zu verhüten..".
Wichtig ist die Betonung auf "Einhaltung der UN-Charta" und die Tatsache, dass der UN-SR nicht nach cap.7 der UN-Charta gehandelt, also ausdrücklich keine Ermächtigung nach Art. 42 zu militärischen Sanktionen erteilt hat. Die Bundesregierung hat bisher ein Eingreifen in Syrien als völkerrechtlich problematisch (ohne UN-Mandat nach cap. 7) abgelehnt.
2) Berufung auf die Beistandspflicht nach § 42 Abs. 7 des EU-Vertrags. Dort heißt es
"Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt."
Die EU-Formulierung ist weiter gehender als Artikel 5 des NATO-Vertrags. Die Nato verlangt von jedem Mitgliedsstaat nur die Maßnahmen, die er für erforderlich erachtet.
Der französische Präsident Hollande erklärt am 16.11. sinngemäß: Frankreich hat die EU-Staaten offiziell um militärischen Beistand gebeten. Alle Mitgliedsstaaten haben diesen zugesagt.
3) Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 UN-Charta. Dort heißt es:
"Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der VN keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der SR die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat."
Dabei ist dann noch zu unterscheiden, ob behauptet werden soll, Deutschland sei angegriffen oder es sich um einen Fall der kollektiven Selbstverteidigung zur Unterstützung Frankreichs handeln soll.
Beiträge aus der aktuellen Diskussion
aus IALANA-Vorstand und Beirat
Reiner Braun am 2.12.15 im Interview
Peter Becker am 3.12.2015 im Brief an Norbert Röttgen
Norman Paech November 2015 im Gutachten für die BT-Fraktion DIE LINKE
Bernd Hahnfeld März 2016: Völker- und verfassungsrechtliche Bewertung des Bundeswehr-Einsatzes gegen den „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien und Irak
andere Beiträge
telepolis vom 21.11.15 Thomas Pany: Kampf gegen IS: Russland verfolgt eigene UN-Sicherheitsratsresolution http://www.heise.de/tp/artikel/46/46626/1.html
Nach der Annahme des französischen Vorschlags im Sicherheitsrat, der keine Erlaubnis zu militärischen Aktionen in Syrien vorsieht, drängt Moskau auf die Verabschiedung seines Entwurfs.
Eine breite Koalition, die ermächtigt von einer UN-Sicherheitsratsresolution militärisch gegen die Milizen des IS und anderen al-Qaida-Ablegern vorgeht, kommt so schnell nicht zustande. Es bleibt vorerst dabei, dass unterschiedliche Koalitionen in Syrien eigene Interessen verfolgen.
Das ist ein Ergebnis des gestrigen Zusammentreffens des UN-Sicherheitsrates. Bekanntlich lagen ihm zwei Entwürfe zu einer "Anti-IS-Resolution" vor, ein russischer und ein französischer. Angenommen wurde - einstimmig - der französische.
Für die Resolution aus Paris sprach, dass sie auf politische Unterstützung aus war, also "symbolisch", wenig verbindlich. Konträr zur Skepsis, die sich nach den veröffentlichten Auszügen des Entwurfs verbreitete, wonach mit "notwendigen Maßnahmen" militärische gemeint sein könnten (Frankreich legt eigenen Entwurf für UN-Sicherheitsratsresolution vor), war nach der Abstimmung klar: Es geht um politische Rückendeckung, die rechtliche Erlaubnis, militärisch nach Artikel 7 der UN-Charta vorzugehen, wurde nicht erteilt.
faz.net vom 21.11.15
.........Die von Frankreich eingebrachte Resolution gibt politische Rückendeckung für den Kampf gegen die Dschihadistengruppe, die sich zu den Anschlägen mit 130 Toten in Paris bekannt hatte.Die Resolution erteilt nicht die rechtliche Erlaubnis, militärisch gegen die IS-Miliz vorzugehen. Sie erwähnt auch nicht Kapitel 7 der UN-Charta, der Staaten den Einsatz von Gewalt erlaubt.
Blog Augen Geradeaus von Thomas Wiegold vom 27.11.15
........Auf welches Mandat sich der Einsatz stützt, ist eine Frage, die die Verteidigungsministerin beantworten muss. In den genannten Berichten wird auf die UN-Sicherheitsratsresolution für den Kampf gegen den IS verwiesen, die Frankreich vorgelegt hatte und vergangene Woche einstimmig angenommen wurde.
Die Resolution gibt politische Rückendeckung, die rechtliche Erlaubnis, militärisch nach Artikel 7 der UN-Charta vorzugehen, wurde nicht erteilt. In der großen Koalition wird man wahrscheinlich dem folgen, was SPD-Fachmann Rainer Arnold als Argumentation vorstellte: Zusammen mit dem Beistandsgesuch Frankreichs nach Artikel Artikel 42 (7) des EU-Vertrages (vgl. Frankreich will militärischen Beistand der Europäer) sei das tragfähig.
Das mag vielleicht vor dem Bundestag gelten, wenn dort abgestimmt wird , aber völkerrechtlich? Da müssten noch Fragen geklärt werden, räumte Arnold ein. Dass sich die Bundesrepublik mit der syrische Regierung in Damaskus offiziell abspricht, erscheint unwahrscheinlich. Es geht auch nicht nur um Aufklärungs - und Betankungsflüge, welche die Souveränität Syriens verletzen, wenn sie in dessen Luftraum unternommen werden.
Außenminister Steinmeier am 26.11.15:
Wir haben Unterstützung zugesagt, und ich glaube, es wäre keine gute Geste, wenn wir nicht auch Glaubwürdigkeit wahren würden – und Glaubwürdigkeit heißt, dass wir das, was wir können und das, was wir politisch verantworten können, auch tatsächlich zur Verfügung stellen, auf der Grundlage geltenden Rechts und des Völkerrechts.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat erst vor wenigen Tagen zum Ausdruck gebracht, dass ISIS und Al-Nusra eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit weltweit sind, und hat dazu aufgerufen, mit den Mitteln und Möglichkeiten die wir haben, die Aktivitäten von ISIS und Al-Nusra einzuschränken und ISIS und Al-Nusra aus den Territorien, in denen sie sich breitgemacht haben, möglichst zurückzudrängen. Insofern sehen wir uns mit unseren Möglichkeiten, die wir Frankreich zur Unterstützung bereitstellen und bereitstellen können, auf sicherem rechtlichen und völkerrechtlichen Boden.
faz vom 28.11.2015, Gastbeitrag von Norbert Röttgen
.......Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der rechtlichen Legitimation des beabsichtigten Einsatzes, die deswegen nicht einfach herzuleiten ist, weil internationale und nationale Rechtsnormen traditionell auf Staaten ausgerichtet sind.
Völkerrechtlich darf nach der Charta der Vereinten Nationen Gewalt nur ausgeübt werden, wenn ein Mandat des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der UN-Charta diese autorisiert oder das Recht zur Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 UN-Charta ausgeübt wird. Die jüngst verabschiedete Resolution 2249 des Sicherheitsrates erfüllt die Kriterien eines Mandates nach Kapitel VII nicht. Die Resolution spiegelt offensichtlich den Kompromiss zwischen den westlichen Staaten und Russland wider.....Bleibt nur das Selbstverteidigungsrecht. Die entscheidende Frage dabei ist, ob dieses gegen einen bewaffneten Angriff von einer nichtstaatlichen Gruppe aktiviert werden kann, auch wenn dadurch die Souveränität eines anderen Staates – in diesem Fall Syriens – verletzt würde. Die Frage wird zu Recht überwiegend bejaht. Hierin kommt eine politisch höchst bedeutsame Fortentwicklung des geltenden internationalen Rechts zum Ausdruck. Denn die traditionelle, enge Auffassung würde dazu führen, dass quasistaatliche Terroristen unter dem Schutz der internationalen Rechtsordnung ungehindert von fremden Territorien aus operieren könnten; die Terroristen würden uns gewissermaßen mit unseren eigenen Waffen schlagen. Der Zerfall von Staatlichkeit und die Entstehung nichtstaatlicher Akteure sind Phänomene unserer Zeit, auf die das Völkerrecht antworten muss......
Doch auch verfassungsrechtlich stellt uns das aktuell angestrebte Bundeswehrmandat vor neue Herausforderungen. Die Bundeswehr darf nach Artikel 87a Absatz 2 des Grundgesetzes nur zur „Verteidigung“ oder in einem anderen in der Verfassung benannten Fall eingesetzt werden. Zu letzterem gehört der Einsatz der Bundeswehr „im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit“. Doch ein robustes UN-Mandat wird es wegen des russischen Einspruchs nicht geben, der Bündnisfall des Nato-Vertrages wurde nicht festgestellt, eine Operation im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU ist nicht in Sicht, und die europäische Beistandsverpflichtung nach Artikel 42 (7) EUV, die Frankreich geltend gemacht hat, ist kein System kollektiver Sicherheit.
IPPNW zu Syrieneinsatz 27.11.15: Keine weitere deutsche Beteiligung am „Krieg gegen den Terror“
Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW fordert den Bundestag auf, keine deutschen Militäreinsätze in Syrien zu genehmigen. Der von der Bundesregierung angekündigte Einsatz von Tornado-Jets sowie die Bereitstellung einer Fregatte würde Deutschland noch tiefer in einen nicht gewinnbaren Krieg ziehen und ist zudem völkerrechtswidrig. „Der Terror, der nicht zuletzt durch westliche Militärinterventionen entstanden ist, wird nicht durch denselben einzudämmen sein. Eine Bewegung wie der sogenannte Islamische Staat lässt sich nicht militärisch `besiegen´, wie unsere Verteidigungsministerin mutmaßt. Die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts haben gezeigt, dass militärische Interventionen den Extremismus gestärkt statt geschwächt haben," erklärt die IPPNW-Vorsitzende Susanne Grabenhorst.......
https://www.ippnw.de/presse/artikel/de/keine-weitere-deutsche-beteiligung-a.html
28.11.15 Andreas Zumach in "tageszeitung":
Nicht ohne die UNO - Die Beteiligung der Bundeswehr an Luftschlägen gegen den IS wird falsch begründet. Teil einer Lösung kann dieser Einsatz auch nicht sein.
http://www.taz.de/Debatte-Bundeswehreinsatz-in-Syrien/!5252194/
Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative
vom 1. Dezember 2015
HUMANISTISCHE UNION: DER „KRIEG GEGEN DEN TERROR“ IST EIN IRRWEG –
UND DEUTSCHLAND SOLLTE NICHT KRIEGSPARTEI WERDEN!
Als schweren Fehler und als Verstoß gegen das Völkerrecht hat die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) das Vorhaben der Bundesregierung bezeichnet, mit der Bundeswehr in den Bürgerkrieg gegen Syrien einzugreifen. (....)
UNVEREINBAR MIT DEM VÖLKERRECHT
.(.......) Die Bürgerrechtsorganisation kritisiert darüber hinaus, dass die militärische Intervention in Syrien nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Nur der UN-Sicherheitsrat kann nach der UNO-Charta eine bewaffnete Intervention zur Sicherung des Weltfriedens beschließen, nicht aber eine sich selbst mandatierende Staatengruppe, die meint, auf diese Weise zum ius ad bellum, zum „Recht" mächtiger Staaten zur Kriegsführung, zurückkehren zu können. „ Es liegt auch kein Fall der Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff gemäß Art. 51 UNO-Charta oder Art. 42 Abs. 7 EU-Vertrag vor", erklärte der Staatsrechtsprofessor Martin Kutscha, Mitglied im HU-Vorstand. „Terrorismus ist kein bewaffneter Angriff durch einen anderen Staat, sondern ein Fall schwerster Kriminalität, für deren Bekämpfung und Aufklärung die Polizeien, nicht aber die Streitkräfte zuständig sind. Das wussten die deutschen Politiker zu Zeiten der ‚Roten Armee Fraktion' (RAF) noch sehr genau. Durch die Erklärung der Terroraktionen zum internationalen Bündnisfall wird die Mörderbande des selbst ernannten IS zu einem Staatswesen geadelt, was dessen Anführer durchaus erfreuen dürfte." Zur „Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus" sei gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a Grundgesetz immer noch das Bundeskriminalamt zuständig, und nicht die Bundeswehr.(.....)
http://bit.ly/1NFkp9i
IMI-Standpunkt 2015/041 - Jürgen Wagner am 26.11.2015: " EU-Beistandsklausel: Wie Terror zum Krieg wird"
http://www.imi-online.de/2015/11/26/eu-beistandsklausel-wie-terror-zum-krieg-wird/
…..Entscheidend ist, dass in der aktuellen Debatte die Beistandsklausel nur allzu häufig in eine Art militärische Beistandsverpflichtung uminterpretiert wird, wenn etwa euractiv (20.11.2015) schreibt: „Klar ist: Wenn die europäische Beistandsklausel nicht toter Buchstabe sein soll, muss sich die rhetorische Solidarität der EU-Partner auch in einer Solidarität der Tat niederschlagen.“
Zwingend leiten sich aber militärische Unterstützungsmaßnahmen keineswegs aus der Beistandsklausel ab. So finden die EU-Institutionen darin ohnehin keinerlei Erwähnung, alles muss demzufolge in bilateralen Verhandlungen mit Paris besprochen werden. Und hier ist die Formulierung in Artikel 42 (7) EUV, die Mitgliedsländer würden einem angegriffenen EU-Land „alle in ihrer Macht stehende Hilfe“ zukommen lassen, zwar tatsächlich konkreter als die im NATO-Vertrag enthaltene Beistandsverpflichtung.[1] Sie lässt allerdings mehr als genug Spielraum, um frei das Ausmaß der eigenen Unterstützungsleistungen wählen zu können. Vor allem die Passage, die Beistandsklausel lasse den „besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt“, eröffnet gerade Deutschland alle Optionen, militärische Unterstützungsforderungen rundweg abzulehnen. So bezieht sich diese Aussage nicht nur auf die neutralen EU-Länder, sondern sie schließt beispielsweise auch den deutschen Parlamentsvorbehalt ein. Oder anders formuliert: Die deutschen Abgeordneten haben weiterhin jedes „Recht“, einen Militäreinsatz, den sie für unsinnig halten, abzulehnen. Nur machen sie von diesem Recht nur allzu selten Gebrauch und aktuell hat es eher den Anschein, als liefere die Beistandsklausel sogar eine Pseudolegitimation zur Ausweitung der militärischen Aktivitäten.
(….)
Abenteuerlich sind die Versuche, das militärische Beistandsunterfangen rechtlich sattelfest zu beten – so schreibt die Tagesschau (30.11.2015) über die diesbezüglichen Bemühungen der Bundesregierung: „In der völkerrechtlichen Begründung verweist die Beschlussvorlage dabei auf die Resolution 2249 sowie zwei frühere Resolutionen des UN-Sicherheitsrates. Darin sei wiederholt festgestellt worden, ‚dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht‘. Da sich Frankreich nach den Angriffen von Paris auf die in Art.42 Abs. 7 des EU-Vertrags formulierte Beistandsklausel berufen habe, finde der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen eines „Systems kollektiver Sicherheit“ statt, wie es das Grundgesetz verlangt.“ Die Sache hat gleich zwei Haken: Im angesprochenen UN-Mandat findet sich keine Ermächtigung, militärische Gewalt anzuwenden; und darüber hinaus hat – was auch der Bundesregierung bekannt sein dürfte – das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon verneint, dass es sich bei der EU um ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit handelt (BVerfGE 123, 267 (361)). Der Einsatz ist also weder völkerrechts- noch grundgesetzkonform.
Norman Paech am 3.12.15 : Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte in Syrien - Eine verfassungs- und völkerrechtliche Analyse
Zusammenfassung und Volltext der Analyse
Hier die Zusammenfassung:
Die von der Bundesregierung in Anspruch genommene rechtliche Begründung für die Entsendung deutscher Streitkräfte nach Syrien ist unhaltbar. Es besteht kein Recht auf kollektive Selbstverteidigung, weder gem. Art. 51 UN-Charta noch auf Grund der Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2914), 2249 (2015). Ein kollektives Selbstverteidigungsrecht zugunsten Syriens besteht nicht, weil die syrische Regierung nicht zugestimmt hat, ihr auch nicht vorgeworfen werden kann, sie sei unwillig oder unfähig, sich zu verteidigen, wenn man sich verweigert mit ihr zu sprechen und sie sogar beseitigen will. Zudem hat Russland die Zustimmung und damit die völkerrechtliche Legitimation für seine militärischen Verteidigungsmaßnahmen von der syrischen Regierung erhalten.
Es besteht auch kein kollektives Verteidigungsrecht zugunsten Frankreichs, denn die Terroranschläge in Paris können nicht dem syrischen Staat zugerechnet werden. Syrien hat dem IS nicht, wie seinerzeit Afghanistan für Al-Qaida, ein Rückzugsgebiet bzw. einen „sicheren Hafen“ geboten und hat auch keine Kontrolle über den IS. Das Völkerrecht besteht nach wie vor darauf, dass ein Staat nur dann angegriffen werden kann, wenn ihm die Terroranschläge, die von seinem Territorium ausgehen, zugerechnet werden können. Dies ist ein Gebot der Souveränität und territorialen Integrität sowie des zwingenden Gewaltverbots, die nur mit der Zustimmung Syriens aufgehoben werden können. Frankreich verbleiben alle Möglichkeiten der Verfolgung der Attentäter mit den nationalen Mitteln der Polizei, Grenzkontrollen, Strafverfolgung etc. sowie der Einforderung von Beistand und Unterstützung durch die EU-Mitgliedsstaaten gem. Art. 222 EU-Vertrag. In diesem Rahmen kann auch die Bundesrepublik tätig werden.
Auch die Resolution 2249 des UN-Sicherheitsrats ermächtigt die Bundesregierung nicht zum Einsatz deutscher Streitkräfte in Syrien. Die Resolution beruft sich zwar auf Kapitel VII UN-Charta, belässt es aber bei Maßnahmen ziviler Art gem. Art. 41 UN-Charta zur Bekämpfung des IS und gibt kein Mandat für militärische Maßnahmen gem. Art. 42 UN-Charta.
Da die Bundesregierung weder ein Recht aus Art. 51 UN-Charta noch ein Mandat des UN-Sicherheitsrat zur kollektiven Selbstverteidigung hat, sind auch die beiden möglichen verfassungsrechtlichen Grundlagen einer Entsendung der Bundeswehr nach Syrien, Art. 24 Abs. 2 GG und Art. 87 a Abs. 2 GG, hinfällig. Die Entsendung der Bundeswehr wäre ein schwerer Verstoß gegen geltendes Völker- und Verfassungsrecht.
Die militärischen Kämpfe gegen den IS sind in völkerrechtlicher Terminologie ein internationaler Konflikt. Er erstreckt sich über zwei Staaten, Irak und Syrien, an ihm nehmen derzeit 15 Staaten teil. Es handelt sich um einen Krieg, der schon lange die nationalen Dimensionen eines nicht internationalen Konflikts (Bürgerkrieg) gesprengt hat, und muss auch als Krieg bezeichnet werden.
Spiegel-online vom 3.12. Interview mit Erasmus Khan
Syrien-Einsatz der Bundeswehr: "Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hätte gute Chancen" Ein Interview von Dietmar Hipp
Ist der deutsche Anti-IS-Einsatz juristisch in Ordnung? Der Völkerrechtler Daniel-Erasmus Khan hegt große Zweifel. Der Professor der Münchner Bundeswehr-Uni wirft der Politik mangelnde Sorgfalt und Verantwortung vor.
Oskar Lafontaine im Interview mit DLF vom 4.12.15 zum Syrieneinsatz: „Wir können das Morden nicht beenden, indem wir selbst morden“
Paul Schreyer, Die syrische Sackgasse - telepolis vom 5.12.15
(......) Die Begründung einer Kriegsbeteiligung mit den Pariser Anschlägen liegt auch deshalb neben der Spur, weil Frankreich schon knapp zwei Monate zuvor, im September, damit begonnen hatte, in Syrien Bomben abzuwerfen. Der französische Premierminister Manuel Valls hatte das bereits damals als "legitime Selbstverteidigung" bezeichnet, da der IS Anschläge gegen Frankreich "vorbereite".
http://www.heise.de/tp/artikel/46/46769/1.html
Reinhard Merkel, Interview mit Jürgen Zurheide DLF vom 5.12.15
„Rechtsphilosoph: Einsatz der Bundeswehr völkerrechtlich problematisch“
<wird fortlaufend aktualisiert>