Traueransprache für Dr. Peter Becker
geboren am 07.01.1941 in Berlin – gestorben am 18.09.2024 in Lohfelden
Von Otto Jäckel
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Verwaltungsrecht in Wiesbaden
Vorstand von IALANA Deutschland e.V.
Vereinigung für Friedensrecht
Deutsche Sektion der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms
05.10.2024 in Marburg
Liebe Marita, (Frau Prof. Dr. Marita Metz-Becker)
liebe Jenny, Lena und Leslie mit Familien,
Lieber Thomas Becker und Familie, lieber Robert Becker und liebe Barbara Bastian-Becker,
liebe Weggefährtinnen und Weggefährten von Peter!
Peter war 1982, zu der Zeit, als ich als Referendar in seine zusammen mit Peter Hauck-Scholz geführte Praxis kam, schon eine bundesweit bekannte Koryphäe auf dem Gebiet des Verwaltungs- und Verfassungsrechts. Bei seiner anwaltlichen Tätigkeit und in seinen Publikationen ging es immer um die Verteidigung der Grundrechte, der Demokratie und des Friedens.
In den von Peter Becker geführten Studienplatzprozessen ging es für die Betroffenen darum, ihr Grundrecht auf freie Berufswahl und ihren beruflichen Traum zu verwirklichen.
In seinem 1990 für 146 Städte der neuen Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht geführten Stromstreit, der nach einer turbulenten mündlichen Verhandlung vom 27.10.1992 im Kasino des Reichsbahnausbesserungswerks in Stendal zu einem für die Städte erfolgreichen Vergleich führte, ging es um die Selbstverwaltungsautonomie der Städte - ihr Recht, selbst darüber zu entscheiden, ob sie in eigenen Stadtwerken ihren Strom aus erneuerbaren Energien beziehen oder von den großen Energiekonzernen.
Die gewaltige Dimension und Komplexität der Auseinandersetzung führte Peter zur Gründung der Kanzlei Becker, Büttner, Held, kurz “BBH”, die heute über 600 Mitarbeitende hat.
Für seine berufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Energierechts und seinen Einsatz für die erneuerbaren Energien, insbesondere als Chefredakteur der von ihm gegründeten “Zeitschrift für neues Energierecht” wurde er von der Europäischen Vereinigung für erneuerbare Energien mit dem Eurosolar-Preis ausgezeichnet.
Die Grundrechte, in diesem Fall die Grundrechte auf Meinungsfreiheit und Organisationsfreiheit standen auch im Mittelpunkt der Berufsverbotsprozesse, die Peter als einer der ersten Anwälte in Deutschland führte. Schon in seiner Zeit als Assistent an der Uni Mainz hatte er das Mandat der Lehramtsbewerberin Anne Lenhart übernommen, der als Kommunistin der Weg in den Schuldienst verwehrt wurde. Für die neue Ostpolitik ab Ende der 1960iger Jahre brauchte die Bundesrepublik nach dem KPD-Verbot von 1956 wieder eine legale KP. Einem größeren Zulauf zu politischen Kräften links von der SPD sollte aber mit dem “Radikalenerlass” vom Januar 1972 entgegengewirkt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Beschluss von 1975 zwar eine individuelle Überprüfung jedes einzelnen Bewerbers auf seine Verfassungstreue gefordert. Den Prozess von Anne Lenhart vor dem Bundesverwaltungsgericht im gleichen Jahr konnte Peter jedoch trotzdem nicht gewinnen.
Das Gericht interessierte sich nicht für die wirklichen politischen Anschauungen von Anne Lenhart und sah allein in ihrer Mitgliedschaft in der KP bereits ihre Eigenschaft als Verfassungsfeindin als erwiesen an. Ein Stück des Verhaltens, auf das es bei der Beurteilung der Persönlichkeit ankomme- so das Gericht - “könne eben auch der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sein.” Die Gründe dieses Urteils wurden in den danach folgenden Fällen von dem Senat schlicht als Textbausteine wiederholt.
Warum war es 1975 gar nicht möglich gewesen, diesen Prozess zu gewinnen?
Von Fritz Bauer ist der Satz überliefert: “Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich Feindesland”. Peter war vor dem Beamtenrechtssenat des Bundesverwaltungsgerichts ebenso in Feindesland geraten, was er jedoch erst später erfuhr.
Der an der Lenhart Entscheidung beteiligte Richter Rudolf Weber-Lortsch war schon 1933 SA-Obergruppenführer, nach Kriegsbeginn Stellvertretender Polizeipräsident von Kattowitz im besetzen Polen, später SS- und Polizeiführer im Reichskommissariat Ukraine und ab 1942 Chef des Amtes für Verwaltung und Recht beim höheren SS-Polizeiführer von Norwegen gewesen. Seine Dienststelle konnte dort unter anderem am 25. November 1942 erfolgreich melden, dass unter ihrer Leitung 700 norwegische Juden nach Auschwitz verbracht worden waren.
Ein weiteres Senatsmitglied, Dr. Edmund De Chapeau Rouge, war vor 1945 als Richter in Hamburg an der Abfassung von Urteilen wegen Rasseschande beteiligt.
Es hat bis zum Schluss an Peter genagt, dass er diese Umstände zu spät erfuhr, um einen Befangenheitsantrag gegen die Richter stellen zu können.
Ähnlich erging es Peter im Fall der Marburger Lehramtsbewerberin Silvia Gingold, Tochter jüdischer Eltern, die In Frankreich in der Résistance gegen die Nazis gekämpft und Verwandte in Auschwitz verloren hatten.
Erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel sagte ihm ein Richter aus einem anderen Senat: “Wussten Sie nicht, dass der Senatsvorsitzende Hesse ein hoher Führer der Hitlerjugend war?”
Warum erzähle ich das hier? Es geht mir um die Frage, wie Peter diese Erfahrungen überhaupt seelisch verarbeiten konnte. Die älteren Herren, die ihn in diesen Prozessen am Richtertisch über ihre Brillenränder freundlich angelächelt hatten, waren in Wahrheit menschliche Monster gewesen.
Die Kraft, mit den beruflichen Belastungen umzugehen, schöpfte Peter aus seiner Familie und seinen Kindern, seinem Klavierspiel und den Festen für die Schar seiner Freunde, Reisen und Aufenthalten in seinem geliebten Mogan in Gran Canaria. Er sagte mir einmal: “Nach einem Verhandlungstermin in einem schweren Prozess muss ich erst mal sehr gut essen gehen.”
Erwähnen muss ich hier auch noch das Verfahren, das Peter und ich gemeinsam jahrelang gegen das Berufsverbot für den Marburger Postbeamten und DKP-Stadtverordneten Herbert Bastian geführt haben.
Gegen die zu erwartende negative Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hatten Peter und ich gemeinsam eine Verfassungsbeschwerde von über Einhundert Seiten entworfen. Herbert Bastian fügte sich jedoch dem Wunsch seiner Parteiführung, keine Verfassungsbeschwerde einzulegen. Sie befürchtete, aus einem negativen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts könne ein weiteres Parteiverbotsverfahren folgen.
Den Entwurf schrieben wir dann um in ein Gnadengesuch an den seinerzeitigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der entschied, Herbert Bastian im Wege des Gnadenerweises wieder als Beamten in den Postdienst einzustellen.
Ein großer Erfolg und ein bedeutendes politisches Signal zur Beendigung der unseligen politischen Einschüchterungspraxis, die Helmut Ridder, bei dem ich in Gießen mein erstes Staatsexamen abgelegt habe, zu Recht mit den Worten “Nicht Berufsverbot, sondern Demokratieverbot” charakterisiert hatte.
Als ich eine paar Jahre später erfuhr, die Studienrätin Dorothea Vogt aus Jever habe gegen Ihre Entlassung wegen politischer Betätigung Verfassungsbeschwerde eingelegt, rief ich sie an und bat sie, mir das Mandat für ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu erteilen. Ich hatte stets die Auffassung vertreten, dass das Verfahren in vergleichbaren Fällen vor dem Bundesverfassungsgericht aussichtslos, vor dem EGMR jedoch erfolgversprechend sei. Gerhard Schröder hatte sie bis dahin vertreten und musste das Mandat abgeben, weil er Ministerpräsident von Niedersachsen geworden war. Ich bat Dorothea Vogt, auch Peter Becker zu mandatieren, so dass wir erneut gemeinsam auftreten konnten – diesmal in dem neu errichteten Menschenrechtspalast in Straßburg. Die mündliche Verhandlung wurde vor der Großen Kammer mit 19 Richtern geführt und ging, wenn auch knapp, zu unseren Gunsten aus.
Damit hatte sich in der Person von Peter der Bogen vom Beginn der rechtlichen Auseinandersetzung um die Berufsverbote bis zu ihrem erfolgreichen Ende gespannt.
Das Jahr 1982, in dem ich in Peters Kanzlei anfing, um dort die ersten sechs Jahre meiner beruflichen Tätigkeit zu verbringen, war auch ein Jahr des Höhepunktes der Friedensbewegung, die sich seinerzeit gegen die Stationierung neuer Atomraketen in Deutschland richtete. Das Thema ist heute wieder virulent.
Damals formierten sich überall in Deutschland örtliche und berufsbezogene Friedensinitiativen. In Marburg versammelte sich neben Hamburg die einzige Juristen-Friedensinitiative. Peter Becker wurde ihr Vorsitzender. Peter ging es immer um die Frage, wie wir unser juristisches Handwerkszeug nutzen können, um politisch etwas zu bewegen. Daraus entwickelten wir unter anderem ein Handbuch für kommunale Friedenspolitik.
Als sich 1988 die International Association of Lawers Against Nuclear Arms konstituierte, wurde Peter Becker Vorsitzender der Vereinigung in Deutschland und später Co-Präsident der Internationalen IALANA. Er legte Wert darauf, die deutsche Sektion “Verein für Friedensrecht” zu nennen entsprechend dem aus dem Friedensgebot des Grundgesetzes und der Charta der Vereinten Nationen folgenden Grundsatz, dass es keinen goldenen Mittelweg zwischen Krieg und Frieden geben kann, sondern alles Recht dem Frieden dienen und damit Friedensrecht sein muss.
Zu den großen internationalen Erfolgen der IALANA zählt das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 08.Juli 1996, das durch zweijährige Lobbyarbeit der IALANA bei den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen von der Generalversammlung in Auftrag gegeben worden war. Danach ist der Einsatz und schon die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen wegen der damit verbundenen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verboten.
Darüber hinaus haben Juristinnen und Juristen der IALANA auch an dem Atomwaffenverbotsvertrag mitgearbeitet, der am 22. Januar 2022 in Kraft getreten ist. Die Internationale Kampagne für das Verbot von Atomwaffen, der die IALANA angehört, erhielt hierfür 2017 den Friedensnobelpreis. 94 Staaten haben diesen Vertrag bisher unterzeichnet und 73 Staaten haben ihn ratifiziert; zuletzt vor wenigen Tagen am 24. September 2024 mit Indonesien eines der bevölkerungsreichsten Länder der Erde. Deutschland ist nicht dabei. Auch ein Gespräch, das Peter gemeinsam mit Dieter Deiseroth und mir mit Frank-Walter Steinmeier im Bundespräsidialamt führte, brachte in dieser Richtung leider nichts in Bewegung.
Das Friedensgebot des Grundgesetzes auch in strategischen Verfahren vor Gericht umzusetzen, hat Peter ebenfalls viele Jahre beschäftigt. Gemeinsam mit mir führte er Verfahren für die Apothekerin Dr. Elke Koller gegen die Stationierung von US-amerikanischen Atomwaffen in Deutschland, die für den Einsatz durch das taktische Luftwaffengeschwader 33 der Bundesluftwaffe in Büchel vorgesehen sind.
Ein weiteres Verfahren richtete sich gegen die Nutzung der US AIR-Base in Ramstein für den Drohnenkrieg.
Die Gerichte meinten, die Kläger seien nicht klagebefugt, weil sie nicht individuell in ihren Grundrechten verletzt seien.
Dass die Allgemeinen Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 GG den Gesetzen vorgehen und Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets erzeugen, war für sie unerhört und neu. Es konnte gar nicht sein, dass Verfassungsrecht dem einfachen Prozessrecht vorging. Wir hatten juristisches Neuland betreten. Den Weg dazu hatte uns Dieter Deiseroth in seiner Kommentierung in dem Kommentar der Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts zu Art 25 GG aufgezeigt.
Inzwischen hat sich durch die Klimaklagen das Verständnis für die Auslegung der Klagebefugnis zum Teil gewandelt. Da ist etwas in Bewegung geraten.
Neben der Einhegung bewaffneter Konflikte durch Kontrolle der Gerichte beschäftigte Peter im gleichen Maße die Effektivierung der demokratischen Kontrolle der Auslandseinsätze der Bundeswehr durch das Parlament.
Anlass hierfür war die deutsche Beteiligung an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999. Dem widmete er ein eigenes Buch mit dem Titel 1914 und 1999 – Zwei Kriege gegen Serbien - auf dem Weg zum demokratischen Frieden”, das sehr lesenswert ist. Er hat dort interessante Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes erarbeitet.
Sehr am Herzen lag Peter die Propagierung positiver Beispiele friedlicher Konfliktregulierung, die mit dem Peter Becker Preis der Philipps-Universität Marburg seiner Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung ausgezeichnet wurden.
Und ein ganz besonderes Anliegen war ihm die Friedenserziehung an den Schulen. Mit der Initiative “En Paz”, für die sich seine Tochter Jenny sehr engagiert hat, wurden spezielle Unterrichtsmaterialien entwickelt und kostenlos zur Verfügung gestellt unter dem Motto: “Frieden will gelernt sein!”
Für seinen unermüdlichen Einsatz für den Frieden und friedliche Strategien der Konfliktlösung wurde Peter Becker mit dem Sean MacBride Peace Prize geehrt. Dieser Preis, der ihm von dem International Peace Bureau verliehen wurde, zu deren ersten Mitgliedern Bertha von Suttner gehörte, der Friedens Nobelpreisträgerin von 1905, hat Peter sehr viel bedeutet.
Ich bin mit Peter viel gereist zu internationalen Konferenzen der IALANA nach New York, Wien, Stockholm, Brüssel, Rom, Lausanne und in andere Städte.
Mit seinem Witz und Humor, seiner tiefen Kenntnis der rechtlichen Fragen und seinen immer neuen Ideen hat er überall begeistert.
Unsere letzte gemeinsame Reise unternahmen wir im vergangenen Frühjahr nach Obertauern zum Skilaufen. Mit seinen 82 Jahren fuhr er noch zügig alle Hänge hinunter. Das Sprechen fiel ihm da jedoch schon sehr schwer.
Er hat so gerne gelebt. Er hat ein wunderbares, spannendes Leben gelebt.
Lasst uns deshalb heute nicht nur trauern, sondern zugleich das wunderbare und spannende Leben von Peter Becker feiern!
Traueranzeige zum Tode Dr. Peter Beckers in der FAZ vom 28.09.2024
Wir trauern um
Rechtsanwalt und Notar a.D.
Ehrenvorsitzender der IALANA Deutschland e.V. - Vereinigung für Friedensrecht
Träger des Euro Solar Preises der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien
Träger des Sean MacBride Peace Prize des International Peace Bureau
geboren am 07. Januar 1941 in Berlin – gestorben am 18. September 2024
Peter Becker war einer der herausragenden deutschen Rechtsanwälte auf dem Gebiet des Verwaltungs- und Verfassungsrechts. Sein Schwerpunkt lag zunächst auf dem Gebiet des Hochschulrechts, später in der von ihm gegründeten Kanzlei BBH auf dem Gebiet des Energierechts. Dabei führte er mehrere erfolgreiche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und erzielte unter anderem ein bahnbrechendes Urteil zur richterlichen Kontrolle von Prüfungsentscheidungen. Im Stromstreit vor dem Bundesverfassungsgericht vertrat er 149 ostdeutsche Städte und sicherte deren Recht, unabhängig von den Energiekonzernen über ihre Stromversorgung zu entscheiden. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vertrat er erfolgreich eine Lehrerin, die wegen ihrer politischen Gesinnung Berufsverbot erhalten hatte. Seine Praxis verband er stets mit deren wissenschaftlicher Durchdringung in einer Vielzahl von Veröffentlichungen, als Herausgeber und Chefredakteur der von ihm gegründeten Zeitschrift für Neues Energierecht sowie seiner Lehre an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Daneben galt sein unermüdliches Engagement dem Kampf für ein Verbot der Atomwaffen und deren Abschaffung. Er führte über zwei Jahrzehnte die von ihm mit begründete IALANA Deutschland als Vorsitzender und sodann als Schatzmeister und Ehrenvorsitzender. Als Co-Präsident von IALANA International war er maßgeblich an der Koordinierung der weltweiten völkerrechtlichen Arbeit von Juristen in der Friedensbewegung beteiligt. Mit von ihm geführten Prozessen versuchte er, die nukleare Teilhabe Deutschlands und die Nutzung der US- Air-Base in Ramstein für den Drohnenkrieg zu beenden.
Er war Stifter des von der Philipps-Universität Marburg vergebenen Peter-Becker-Preises für Friedens- und Konfliktforschung.
Als großartiger Gastgeber verstand er es, Menschen zusammenzuführen und politische Konferenzen zu kulturellen Ereignissen zu gestalten. Bei verschiedenen Gelegenheiten bereicherte er diese mit eigenen Konzerten am Flügel.
Seine klugen Beiträge, seinen Ideenreichtum und Optimismus und seine freundliche, warmherzige und zugewandte Art werden wir vermissen.
Unsere Gedanken sind bei seiner Familie
Vorstand und Wissenschaftlicher Beirat der IALANA Deutschland e. V.
Finden Sie hier die Traueranzeige in der FAZ vom 28.9.2024 samt Unterzeichner:innen
Sofortiger Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel
Freiburg/Berlin. Im Lichte der gerade ergangenen Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes im Verfahren Nicaragua gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen möglicher Beihilfe zum Völkermord und anderer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht fordern das RüstungsInformationsBüro (RIB) und die International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) die Bundesregierung auf, mit sofortiger Wirkung alle Waffenlieferungen an Israel zu stoppen.
Die UN-Generalversammlung hat soeben dafür gestimmt, den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag aufzufordern, „dringend ein Gutachten“ über Israels „anhaltende Besetzung, Besiedlung und Annexion palästinensischer Gebiete“ abzugeben.
Die Abstimmung wurde mit großer Mehrheit (87:26 Stimmen bei 53 Enthaltungen) angenommen, was deutlich macht, warum Israel es vorzieht, über den Sicherheitsrat zu arbeiten, wo es zumindest mit den Vetos der USA und des Vereinigten Königreichs rechnen kann. Und in der Tat stimmten die USA, das Vereinigte Königreich, Kanada, Deutschland, Österreich, Ungarn, Polen – und Israel – gegen die Resolution.
weiter: https://www.icahd.de/un-abstimmung-ueber-israels-verlaengerte-besatzung-jeff-halper/
aus BiP-aktuell #238 v. 26. November 2022
Nach den beiden Berichten der Sonderberichterstatter Michael Lynk (HRC A/HRC/49/87 v. 21. März 2022) und Francesca Albanese (UNGV A/77/356 v. 21. 9. 22) hat der Menschenrechtsrat nun den Bericht einer Internationalen Kommission am 27. Oktober vorgelegt (UNGA A/77/328 v. 14. September 2022). Den Auftrag dazu hatte er am 27. Mai 2021 erteilt, „in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem, und in Israel alle mutmaßlichen Verletzungen des humanitären Völkerrechts und Verstöße gegen das internationale Menschenrecht vor und nach dem 13. April 2021 zu untersuchen.“…
IALANA-Deutschland zum Entwurf eines Hinweisgeber-Schutzgesetzes 2022
Als Organisation, die sich seit Jahrzehnten für die gesellschaftliche Anerkennung der Whistleblower einsetzt und seit 1999 alle 2 Jahre mit der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) den angesehenen „Whistleblower-Preis“ vergeben hat, begrüßen wir es sehr, dass endlich ein deutsches Whistleblower-Schutzgesetz in Kraft gesetzt werden soll.
Der Entwurf ist in der jetzigen Fassung leider nicht geeignet, Whistleblowern einen effektiven Schutz zu gewährleisten, sondern fällt in Teilen sogar hinter die Vorgaben der EU-Richtlinie zurück.
1. Der Anwendungsbereich ist zu eng angelegt
Wir würdigen, dass nun ein einheitliches Gesetz angestrebt wird und auch Verstöße gegen nationales Recht im Fokus liegen. Während der Koalitionsvertrag von November 2021 jedoch auch Whistleblower schützen wollte, die „sonstiges erhebliches Fehlverhalten melden, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt“, beschränkt der Entwurf sich auf Verstöße gegen strafbewehrte Rechtsnormen und "Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient".
Das Gesetz ist seit 17.12.21 überfällig. In der alten Regierung hatten sich CDU und SPD nicht einigen können, so dass die Umsetzungsfrist ergebnislos ablief. In der jetzigen Koalition ist das Vorhaben Teil des Regierungsprogramms. Bis 8.5.2022 können sich die Verbände und NGOs dazu äußern.
Hier der Entwurf (80 Seiten):
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32019L1937&from=DE
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
dieser Krieg in Europa hätte verhindert werden können und hätte verhindert werden müssen!
Mit der fehlenden ernsthaften Bemühung, über die von Russland am 17. Dezember 2021 vorgelegten Vertragsentwürfe über Sicherheitsgarantien substanzielle Verhandlungen zu führen, haben Sie es gemeinsam mit den USA und den NATO-Partnern versäumt, einen wirksamen Versuch zu unternehmen, den Frieden für die Ukraine und für Europa zu bewahren.
Nun ist die „militärische Spezialoperation“ im Gang – welch ein zynischer Begriff für den von Russland entfesselten Angriffskrieg gegen die Ukraine - und ein Ende von Tod, Zerstörung und Flucht ist nicht abzusehen. Russland hat mit der großrussisch nationalistischen Haltung seines Präsidenten, wonach es sich bei der Ukraine nicht um einen souveränen Staat, sondern um „Kleinrussland“, mithin einen Teil Russlands handele, den Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Mitglieder der Vereinten Nationen in Art. 2 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen verletzt.
Der militärische Angriff auf die Ukraine stellt einen Verstoß gegen das absolute Gewaltverbot nach Art. 2 Abs. 4 der Charta der VN dar. Russland hat auch keine Beweise dafür vorzulegen, dass der Angriff zur Abwendung eines Völkermords der Ukraine an der russischen Minderheit in den ostukrainischen Verwaltungs-bezirken von Donezk und Lugansk gerechtfertigt ist.
Es spricht für sich, dass Russland am 07. März 2022 der mündlichen Verhandlung vor dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag ferngeblieben ist, wo die Gelegenheit bestanden hätte, hierzu vorzutragen. Der einstweiligen Anordnung, die der IGH am 16.03.2022 auf Antrag der Ukraine gegen Russland erlassen hat, wonach alle Kampfhandlungen sofort einzustellen sind, wird von Russland missachtet.
Der russische Präsident trägt für die Entfesselung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs ebenso die persönliche Verantwortung wie für die Vielzahl von unterschiedslosen Angriffen auf die Zivilbevölkerung durch den Beschuss von Wohngebieten, die Verletzungen des humanitären Völkerrechts darstellen. Hinzu kommt die Androhung der Anwendung von Atomwaffen durch den russischen Präsidenten und den Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrats, die nach dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 08.07.1996 gegen das Völkerrecht verstößt.
Sollte am Ende dieses Krieges im Rahmen einer Verhandlungslösung ein neutraler Status der Ukraine herauskommen, werden die Menschen in der Ukraine zu recht die Frage stellen, warum sie unbeschreibliches Leid und die Zerstörung ihrer Städte und ihrer Heimat ertragen mussten für ein Ergebnis, das man auch schon zuvor auf dem Verhandlungsweg hätte erzielen können, ohne bewaffneten Konflikt.
Warum sollte denn der Einwand, den die Bundesregierung gemeinsam mit der französischen Regierung im April 2008 auf der NATO-Ratstagung in Bukarest gegen den Beitritt der Ukraine erhoben hat, im Dezember 2021 nicht mehr zutreffend sein? Ein Verstoß gegen russische Sicherheitsinteressen hieß es damals, auf deren Berücksichtigung die NATO sich bei aller grundsätzlichen Anerkennung der souveränen Rechte jedes Staates, sich frei für ein Bündnissystem zu entscheiden, gegenüber Russland verpflichtet hatte. Hatte Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 18.12.2013 mit Blick auf den sich zuspitzenden Konflikt in der Ukraine nicht gesagt: „Wir müssen aus dem Entweder – Oder herauskommen“, wonach sich die Ukraine zwischen der Europäischen Union und Russland entscheiden müsse. „Hieran werden wir sicherlich weiter intensiv arbeiten.“ Warum haben Sie als Bundeskanzler diesen Faden nicht aufgenommen?
Wieso haben Sie darüber hinaus den Rat erfahrener deutscher Diplomaten, Militärs und Friedensforscher in den Wind geschlagen, die in ihrem Appell „Raus aus der Eskalationsspirale“ vom 05.12.2021 dazu aufgerufen haben, ein Moratorium für alle Truppenverlegungen, Aufrüstungsmaßnahmen und militärischen Manöver vorzuschlagen, um in einem Zeitraum von zwei Jahren gemeinsam mit Russland eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa auszuhandeln? Das hätte bedeutet, Gorbatschows Vorschlag für ein gemeinsames Haus Europa und Putins Vorschlag für einen gemeinsamen Wirtschafts- und Sicherheitsraum von Lissabon bis Wladiwostok beim Wort zu nehmen.
In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 25.09.2001 hatte er gesagt: „Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbstständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturressourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird.“ Dafür war er mit stehenden Ovationen aller Fraktionen bedacht worden.
Was folgte, war weitere Politik des politischen und militärischen Containments Russlands durch die Osterweiterung der NATO, die Stationierung von Truppen an der russischen Grenze im Baltikum und den Bau von Raketenabschussrampen in Polen und Rumänien.
Neben dem Status der Ukraine hätte es in den von Russland vorgeschlagenen Verhandlungen auch um atomare Abrüstung gehen sollen. Vorgeschlagen war unter anderem, dass sowohl Russland als auch Amerika Kurz- und Mittelstreckenraketen in einer solchen Entfernung voneinander stationieren, dass sie von den Stationierungsorten aus den anderen nicht erreichen können.
In diesem Zusammenhang erinnern wir daran, dass die Beendigung der Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen auf deutschem Boden zum Zweck der nuklearen Teilhabe von den vorangegangenen Bundesregierungen und zuletzt auch von Frau Bundesaußenministerin Baerbock von dem Ergebnis von Paketlösungen in atomaren Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und Russland abhängig gemacht wurde.
Warum hat die Bundesregierung im Rahmen der NATO im Dezember nicht darauf gedrängt, in solche Abrüstungs-verhandlungen einzutreten? Dies versäumt zu haben, stellt einen Verstoß gegen Artikel VI des Nichtverbreitungsvertrags dar, wonach die Signatarstaaten dazu verpflichtet sind, mit dem ernsthaften Willen über Schritte zu einer vollständigen nuklearen Abrüstung zu verhandeln.
Stattdessen haben Sie sich dazu entschieden, im Rahmen Ihres 100 Milliarden Euro Aufrüstungsprogramms für die nukleare Teilhabe Deutschlands nun in den USA die modernsten verfügbaren atomaren Trägerwaffen, F 35 Tarnkappenbomber, zu kaufen.
Sie wissen sehr gut, dass sowohl die USA als auch Deutschland in dem Augenblick, in dem die Piloten des Jagdgeschwaders 33 in Büchel die dort stationierten US-amerikanischen Atomwaffen übernehmen, den Nichtverbreitungsvertrag verletzen würden. Denn den USA ist es nach dem Nichtverbreitungsvertrag verboten, Atomwaffen an einen Nichtatomwaffenstaat zu übergeben. Ebenso ist es Deutschland als Nichtatomwaffenstaat verboten, Atomwaffen von einem Atomwaffenstaat anzunehmen.
Die von Ihnen geplante Anschaffung der F 35 Tarnkappenbomber für den Einsatz von Atomwaffen dient somit nicht einer regelbasierten Außen- und Sicherheitspolitik. Vielmehr wird damit ein Bruch des Völkerrechts vorbereitet.
Schließlich sind die von Ihnen veranlassten Lieferungen von Waffen an die Ukraine und die Finanzierung ukrainischer Waffenkäufe mit dem akuten Risiko einer Ausweitung des Krieges verbunden. Sie bringen unser Land damit in Gefahr, in den Krieg verwickelt zu werden.
Zwar ist es gemäß Artikel 51 der UN-Charta völkerrechtlich zulässig, einem angegriffenen Land im Rahmen kollektiver Verteidigung zu Hilfe zu kommen. Hierzu bedarf es keiner speziellen Bündnisverpflichtung wie etwa durch den NATO-Vertrag. Man muss sich aber entscheiden, ob man im Rahmen einer solchen kollektiven Verteidigung den angegriffenen Staat mit Waffen beliefern und damit selbst zur Kriegspartei werden will oder ob man neutral bleiben möchte. Mit dem Status eines neutralen an einem bewaffneten Konflikt unbeteiligten Staat ist aber die Lieferung von Waffen wie die von Deutschland an die Ukraine übergebenen 1.000 Panzerabwehrwaffen, die 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ sowie 2.700 Flugabwehrraketen vom Typ „Strela“ und die Finanzierung von Waffenkäufen in Milliardenhöhe unvereinbar. Trotz aller Bekenntnisse dazu, dass die NATO keine Kriegspartei werden will, kommt es darauf an, ob Russland ein Land in völkerrechtlich vertretbarer Weise als am Krieg beteiligt einstuft. Dies kann spä-testens dann virulent werden, wenn die Gasimporte aus Russland eingestellt werden sollten.
Herr Bundeskanzler Scholz, wir appellieren an Sie:
Mit freundlichen Grüßen
Otto Jäckel
Im Namen des Vorstands von IALANA Deutschland e.V.
Den aufgeheizten Konflikt um die Ukraine friedlich lösen!
In dem aktuell gefährlichen Konflikt zwischen der NATO und Russland fordern wir die Bundesregierung auf, aktiv dazu beizutragen, die Eskalation zu stoppen und eine friedliche Lösung zu suchen. Dabei sollen alle bestehenden wechselseitigen völkerrechtlichen Verpflichtungen genutzt werden, um gegenseitige Sicherheit zu erreichen. Dauerhafte Sicherheit kann nicht gegeneinander, sondern nur miteinander erreicht werden.
Obwohl die Truppenkonzentration bedrohlich wirkt, will Russland erklärtermaßen keinen Krieg, sondern einen Vertrag, der seine Sicherheit gewährleistet und hat dazu zwei detaillierte Entwürfe vorgelegt, die in der Öffentlichkeit allerdings weitgehend unbekannt sind. Einige der Vorschläge enthalten weitgehende Maximalforderungen und Verhandlungsmasse für ein neues europäisches Sicherheitskonzept. Andere Vorschläge in den Vertragsentwürfen für gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO sowie zwischen Russland und den USA sind einigungsfähig, z.B. zur Einrichtung von Telefon-Hotlines, für eine wechselseitige Unterrichtung über militärische Übungen und Manöver und die jeweiligen Militärdoktrinen (Art. 2, Vertragsentwurf NATO-Russland) oder der Vorschlag eines Verbotes einer Stationierung von landgestützten Mittel- und Kurzstreckenraketen in Gebieten, die es ermöglichen, das Gebiet der anderen Vertragsparteien zu erreichen (Art. 5). Weitere zielen auf die Beendigung der nuklearen Teilhabe und den Abzug der US-Atomwaffen aus Europa (Art. 7 des Vertrags mit den USA). Im Artikel 1 heißt es: „Die Vertragsparteien lassen sich in ihren Beziehungen von den Grundsätzen der Zusammenarbeit, der gleichen und unteilbaren Sicherheit leiten. Sie werden ihre Sicherheit (….) nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen Vertragsparteien stärken.“
Die Bundesregierung hat eine besondere rechtliche Verpflichtung gegenüber Russland: Am 9. November 1990 haben Kohl und Gorbatschow einen „Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“ geschlossen, der unverändert noch gilt. Art. 7 lautet: „Falls eine Situation entsteht, die nach Meinung einer Seite eine Bedrohung für den Frieden oder eine Verletzung des Friedens darstellt oder gefährliche internationale Verwicklungen hervorrufen kann, so werden beide Seiten unverzüglich miteinander Verbindung aufnehmen und bemüht sein, ihre Positionen abzustimmen und Einverständnis über Maßnahmen zu erzielen, die geeignet sind, die Lage zu verbessern oder zu bewältigen.“ Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Gespräche im Sinne dieser Verpflichtungen zu intensivieren.
Wichtige einzuhaltende völkerrechtliche Verpflichtungen für die Lösung des aktuellen Konflikts ergeben sich insbesondere aus den Grundsätzen der UN-Charta zur friedlichen Streitbeilegung (Art. 2 Ziff. 3) und zum Gewaltverbot (Art. 2 Ziff. 4). Sie folgen auch aus der NATO-Russland-Grundakte vom 27. Mai 1997. Demnach unterliegt die dauerhafte Stationierung von substanziellen Kampftruppen in den neuen Nato-Ländern in der Mitte und im Osten Europas völkervertraglichen Beschränkungen. Die jetzt praktizierte lückenlose Rotation von NATO-Truppen an der NATO-Ostgrenze unterläuft Verpflichtungen des Abkommens. Forderungen der neuen NATO-Länder, die NATO solle sich darüber hinwegsetzen, muss widersprochen werden. Zu Recht erinnert Russland an die Formulierung im Schlussbericht des OSZE-Gipfels von 1999 in Istanbul, wonach jeder Teilnehmerstaat bei Änderungen seiner Sicherheitsstrukturen die Rechte aller anderen Staaten achten und seine Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen wird. Diese Zusage haben die NATO-Staaten beim OSZE-Gipfel im Dezember 2010 in Astana bekräftigt.
Wir appellieren an die Bundesregierung, die anstehenden Verhandlungen mit Respekt und unter Anerkennung der gegenseitigen Sicherheitsinteressen und unter Beachtung der bestehenden Sicherheitssysteme zu führen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Russland seit 1990 zunehmend seine Sicherheit an der Westgrenze durch die NATO bedroht sieht. Der Verzicht auf die Osterweiterung der NATO ist zwar nicht völkerrechtlich bindend vereinbart worden, war aber wiederholt Gegenstand von Gesprächen und Verhandlungen mit Vertretern der russischen Regierung.
Wir fordern die Bundesregierung auf, im folgenden Rahmen zu verhandeln:
Herausgeber:
Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in soziale Verantwortung (IPPNW)
Deutsche Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA)
Unterzeichnen Sie den Appell hier:
Erstunterzeichner*innen:
Franz Alt, Journalist, Dr. Bernd Asbrock, Richter i.R.; Dr. Till Bastian, Publizist; Prof. Dr. Helga Baumgarten, Politikwissenschaftlerin; Ralf Becker, Koordinator Initiative "Sicherheit neu denken"; Peter Brandt, Historiker und Publizist; Reiner Braun, International Peace Bureau; Dr. med. Angelika Claußen, IPPNW-Vorsitzende; Daniela Dahn, Schrifststellerin, Prof. Dr. Wolfgang Däubler; Ina Darmstädter, Vorstand Friedensfestival Berlin e.V.; Prof. Dr. Jost Eschenburg, pax christi, Bistum Augsburg; Annegret Falter, IALANA Beiratsmitglied; Ulrich Frey, Mitglied im Vorstand der Martin-Niemöller-Stiftung e.V.; Dr. Heiner Fechner, Vorstände der IALANA, VDJ und EJDM; Prof. Dr. i. R. Albert Fuchs, Dr. Rolf Gössner, Jurist und Publizist; Dr. Peter Gerlinghof, Initiative Erinnern und Gedenken Sangerhausen; Prof. Dr. Ulrich Gottstein, IPPNW-Ehrenvorstandsmitglied; Ulrike Guérot, Prof. Europapolitik; Bernd Hahnfeld, IALANA, Gert Heidenreich, Schriftsteller und ehem. PEN-Vorsitzender West, Gisela Heidenreich, Buchautorin, Prof. Dr. i.R. Helwart Hierdeis, Erziehungswissenschaftler; Uwe-Karsten Heye, Journalist, Diplomat und Autor, Otto Jäckel, Rechtsanwalt, Vorsitzender der IALANA e.V.; Michael Karg, Propst i.R., Vorsitzender der Martin-Niemöller-Stiftung e.V., Joachim Kerth-Zelter, Rechtsanwalt, Bundesvorsitzender der Vereinigung Demokratischer Jurristinnen und Juristen; Gerold König, Pax christi Bundesvorsitzender; Karl-Wilhelm Lange, Regierungspräsident i.R.; Prof. Mohssen Massarrat, wiss. Beirat der IPPNW; Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands und Parl. Staatssekretär a.D.; Prof. Dr. Götz Neuneck, deutscher Pugwash Beauftragter der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler; Prof. Dr. Norman Paech, Völkerrechtler; Florian D. Pfaff, Major a.D., Sprecher des Arbeitskreises "Darmstädter Signal"; Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums; Dr. med. Lars Pohlmeier, IPPNW-Vorsitzender, Rüdiger Postier, Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.; Konrad Raiser, Theologe, ehem. Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen; Rainer Rehak, stellv. Vorsitzender der Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FifF), Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes; Pamela Rosenberg, ehem. Intendantin der Berliner Philharmoniker, Prof. Dr. Jürgen Scheffran, Physiker und Geograph; Thomas Schmidt, Co-Generalsekretär EJDM Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V.; Prof. em. Dr. Dr.h.c. Dieter Senghaas, Friedens-, Konflikt- und Entwicklungsforscher; Amela Skiljan, stellvertretende Vorsitzende IALANA, Prof. Dr. i.R. Gert Sommer, Prof. für Klinische Psychologie und Konfliktforschung, Dr.h.c. Graf Sponeck, Beigeordneter UNO Generalsekretär a.D.; Prof. Johano Strasser, Politologe und Schriftsteller, ehem. Präsident des PEN-Zentrums Deutschland; Antje Vollmer, Bundestagsvizepräsidentin a.D., Peter Vonnahme, Richter am Bayer. Verwaltungsgerichtshof i.R., Mitglied von IALANA; Prof. Dr. Herbert Wulf, Burkhard Zimmermann „Initiative Neue Entspannungspolitik jetzt!", Andreas Zumach, Journalist
Summary:
Entsprechend einer jahrzehntelangen Tradition hält Deutschland weiterhin Trägersysteme für die im Land stationierten US-amerikanischen Atombomben bereit. Im Einsatzfall werden die Atombomben mittels Tornado-Jagdbomber von Bundeswehrsoldaten transportiert und abgeworfen. Diese nukleare Teilhabe ist ein Teil des strategischen Konzeptes der NATO, das ohne Rechtsgrundlage von den Mitgliedsländern abgesprochen worden ist. Der Einsatz der Atombomben und seine Androhung sind durch das humanitäre Völkerrecht und das Menschenrecht auf Leben verboten. Zudem verstößt der Einsatz gegen den Nichtverbreitungsvertrag (NPT), der dem Nicht-Atomwaffenstaat Deutschland jede Mitverfügung über Atomwaffen verbietet. Durch die Entwicklung atomarer Trident-Raketen mit kleiner Sprengkraft für die Ohio-Klasse US-amerikanischer Atom-U-Boote haben die in Deutschland stationierten taktischen Atombomben ihre militärische Bedeutung ohnehin verloren.
1) Was bedeutet nukleare Teilhabe?
Die nukleare Teilhabe wurde von den teilnehmenden Staaten im Rahmen des Strategischen Konzeptes der NATO vereinbart. Dabei werden US-amerikanische Atomwaffen in den betreffenden Staaten gelagert, bewacht, gewartet und im Einsatzfall freigegeben. Die derzeit teilnehmenden Staaten Belgien, Deutschland, Italien, Niederlande und die Türkei1 stellen die Trägersysteme zur Verfügung und führen den Einsatz durch. Die Bundeswehr hat der NATO die Bereitstellung von 46 nuklearfähigen Trägerflugzeugen zugesagt. Sie hat in Büchel (Eifel) 44 Tornados des Jagdfliegergeschwaders 33 stationiert. Deutsche Soldaten werden dort im Einsatz von Atomwaffen ausgebildet.2